Im Außendienst ein Unternehmen zu vertreten, im Verkauf, im Service, in der Beratung, das ist ein Beruf, den viele Menschen ausüben und der viele begeistert. New Work, die rasant fortschreitende Digitalisierung und vor allem die Erwartungen von Kunden an Verkäufer, Berater und Servicemitarbeiter verändern das Berufsbild des Außendienstlers ganz enorm. Wo geht die Reise hin?
Erfolgreiche Perspektiven
Jörg O. arbeitet seit mehreren Jahren für sein Unternehmen im Werkzeughandel als Gebietsverkaufsleiter. Er besucht seine Kunden regelmäßig vor Ort, führt Gespräche mit Produktionsleitern über neue Lösungen, versteht die Bedürfnisse der Anwender an den Maschinen, in der Montage, verhandelt mit Einkäufern Konditionen und sorgt insgesamt für eine klasse Zusammenarbeit in allen Bereichen. Die fast grenzenlosen Möglichkeiten der Digitalisierung nutzt er inzwischen intensiv zusätzlich. Kommunikation auf allen Kanälen, die sich die Kunden wünschen. Das spart in vielen Fällen vor allem Zeit, entspannt Terminsituationen und beschleunigt gleichzeitig wichtige gemeinsame Prozesse. Außerdem genießt er die Freiheiten, die ihm New Work bietet. Ob vom Homeoffice zuhause, bei dessen Einrichtung und Organisation ihm sein Unternehmen professionelle Unterstützung geleistet hat, oder auch mal von seinem Lieblingscafé aus – die Motivation stimmt, weckt Kreativität und diese Begeisterung kommt bei allen gut an.
Soweit zum idealen Soll.
Einschnitt und Beschleuniger
Ganz ohne Zweifel: An dieses Jahr 2020 werden wir uns wohl noch lange erinnern. Es hat sehr große Belastungen gebracht, schmerzliche Opfer gekostet und wir werden noch lange an den Aufwendungen und Staatsverschuldungen zu zahlen haben. Ganze Branchen kämpfen um ihre Existenz und für andere ist es der Start einer glänzenden Erfolgsgeschichte. Ein Jahr mit extrem starken Kontrasten. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen passieren gerade im Eiltempo. Die Digitalisierung boomt, das Homeoffice avanciert zum Aktionsmittelpunkt für viele. Auch das Kaufverhalten von Konsumenten und Unternehmen definiert sich in der Digitalisierung neu.
Lockdown
Eine Berufsgruppe ist besonders davon betroffen: der Außendienst. Wurde bisher jede Chance genutzt, Kunden vor Ort aufzusuchen, um die Zusammenarbeit aktiv zu gestalten, so geschieht dies seit mehreren Monaten fast ausschließlich per Telefon, Mail und Webmeetings. Eine neue Welt für viele, die sich ja gerade wegen der direkten persönlichen Kontaktmöglichkeiten und der Extraportion “Freiheit” draußen für dieses Berufsfeld entschieden hatten. Aus vielen Gesprächen mit Menschen im Außendienst habe ich mitgenommen, dass “die Verbannung” in den Homeoffice-Innendienst nicht von ihnen begrüßt wurde. Ihre bisher als typische Stärken wahrgenommenen Eigenschaften, wie ein guter Auftritt, Schlagfertigkeit im persönlichen Gespräch oder auch den “gewissen Riecher” zu haben funktionierende Lösungen – wie sind diese Stärken im Homeoffice, per Telefon oder Webmeeting unterzubringen?
Wenn Kunden zunehmend online ihre Geschäfte tätigen, sowohl im Unternehmen wie als Konsumenten zuhause, in welche Zukunft führt das den Beruf Außendienst?
Wild & Free
Kerngedanken von New Work sind die weitgehende Unabhängigkeit von Zeit und Raum für die eigene Arbeit und die Einbindung in ein globales, weitestgehend unbeschränktes Netzwerk. Wer im New Work tätig ist, so der Leitgedanke, der arbeitet am Ort seiner Wahl, egal on im Unternehmen, im Homeoffice, in einem Open Workspace, Café, am Strand oder in der Berghütte. Wann und mit wem es gerade sinnvoll ist, damit Kreativität und Produktivität in einem Höchstmaß freigesetzt werden können, ist flexibel bestimmbar: Wild & Free!
In diese Betrachtung gehört darüber hinaus der bewusstere Umgang mit unseren Ressourcen. Im Auto stundenlang unterwegs zu sein, wertvolle fossile Brennstoffe und Lebenszeit in täglichen Staus für kurze Termine vor Ort zu verbrennen? Macht das in jedem Falle wirklich Sinn?
Change now!
Ohne diesen wichtigen Innovations- und Produktivitätstreiber New Work hier weiter auszuführen – der Außendienst wurde in diesem Jahr durch Corona “mit Wumms” (würde unser derzeit in den Medien allgegenwärtiger Finanzminister konstatieren) in die neue Arbeitsform katapultiert.
Vieles, was vorher ausschließlich in Besprechungen vor Ort zu erledigen schien, das funktioniert definitiv auch in Besprechungen innerhalb des digitalen Arbeitsraumes. Selbst eingefleischte Skeptiker praktizieren das inzwischen mit Erfolg täglich. Geht es hier um Schwarzweißdenken? Nein, natürlich nicht. New Work verbietet nicht die Kommunikationsformen und -kanäle, die wir kennen. Es integriert sie vielmehr in eine deutlich offenere Arbeitswelt mit mehr Freiraum und Möglichkeiten. Beides benötigen wir im Übrigen dringend, um noch mehr der Zukunft begegnen zu können. Die ernsthaften Probleme, die wir mit unserem Verhalten von gestern geschaffen haben, werden wir nicht mit den Lösungen von gestern meistern. Zeit, Innovation und Kreativität bewegen sich ausschließlich in eine Richtung, nach vorne!
Qualifikation und Qualifizierung
New Work ist nicht nur ein Prinzip. Es muss mit Verstand und Motivation erlernt werden. Es gibt immer noch Führungsstile, die glauben, wenn ihr Mitarbeiter Skype, Zoom, GotoMeeting oder ein vergleichbares Programm einschalten “dann läuft das schon”. Dem ist nicht so. Die Kommunikationsform WEB ist nicht nur eine technische Angelegenheit. Sie muss auch eine methodisch-rhetorische Dimension mit Anspruch sein. Ein/Ausschalter bedienen reicht nicht.
Hinzu kommt: Wir bauen nicht nur SMART-Homes, wir gestalten auch SMART-Companies. Unternehmen in ihrer Zusammenarbeit miteinander zu verbinden, das ist doch der wesentliche Aspekt im B2B-Außendienst. Die Kenntnisse, gerade im Bereich der Digitalisierung (Bestellsysteme, Datenaustauch, digitale Arbeitsplatzgestaltung usw.) sind jedoch oft bescheiden. Hier kommt ein ganzer Berg an neuem Wissen auf alle Beteiligten zu.
Unternehmen in der Verantwortung
Viele Menschen im Außendienst, wie Jörg O. setzen sich tagtäglich mit Begeisterung erfolgreich für ihr Unternehmen und ihre Kunden ein. Ein toller Job und für viele eine langfristige Berufung. Ihre Unternehmen sind hier in der Verantwortung so rasch als möglich alle wichtigen Register zu ziehen, die Weiterentwicklung dieses VBerufsfelds voranzubringen. Intelligente, wirksame Qualifizierung und Veränderungsbegleitung sind gefragt. Außendienst war und ist eine wichtige Erfolgskomponente im B2B-Geschäft. Der Zug New Work im Außendienst fährt bereits. Sie sollten sich beeilen, ihre Fahrkarte zu lösen und aufzuspringen.
von Karl Heinz Lorenz. Trainer bei Lorenz-Seminare