Trotz aller Krisen und Schwierigkeiten in Europa – vom Migrantenstrom über die Griechenlandfinanzierung bis hin zum Brexit – die Wirtschaft brummt und die Arbeitslosenquote in Deutschland erreicht gerade einen Rekordtiefstand. Technologien und Know how „Made in Germany“ sind weltweit stark gefragt. Kein Grund jedoch, sich auf den Lorbeeren der Vergangenheit auszuruhen. Im aktuellen Index für Wettbewerbsfähigkeit (Quelle: IMD Schweiz) rutscht Deutschland vom 6. Platz auf den 12. Platz ab. Vor allem der Osten holt vehement auf. Dies ist ein lautes Warnzeichen und kann zugleich eine Motivation sein, sich noch mehr anzustrengen, um im Wettbewerb der Besten mithalten zu können. Es macht doch sehr viel mehr Laune, ganz vorne dabei zu sein, als nur irgendwo im Mittelfeld herumzupaddeln.
Seitens des Staates ist sehr konkret einiges zu tun. Vor allem im infrastrukturellen Bereich, der in Deutschland zunehmend im Vergleich mit den Mitbewerbern im Markt hinkt. Aber auch auf Seiten der Unternehmen kann sehr viel für mehr Erfolg getan werden. Vor allem zeitgemäße, kreative und zukunftsorientierte Konzepte in den Bereichen Marketing und Verkauf sind gefragt: Noch mehr auf den Kunden einlassen, noch mehr vorausdenken. Im B2B Bereich ist vor allem das Consultative Selling angesagt. Kundenorientierung bedeutet in diesem Konzept, sich ganz in das Geschäftsmodell des Kunden einzudenken und an Lösungen für seine Ziele und Strategien mitzuarbeiten.
Kommunikation ist die eine Seite des Geschäfts
Unbestritten: Motivation und Kommunikation spielen im Leben erfolgreicher Verkäufer herausragende Rollen. Doch Kunden im globalen, höchst kompetitiven Markt erwarten deutlich mehr als dienstbeflissene und rhetorisch geschickte Gesprächspartner. Dies gilt insbesondere für die so wichtigen Märkte in den Bereichen Investitionsgüterindustrie, Automotive und generell dem kompletten B2B Sektor. Viele Unternehmen optimieren ihre Einkaufsvorgänge, nicht zuletzt dank sehr guter Informationssysteme auf Basis einer betriebswirtschaftlich fundierten Grundlage. Das rüde „Preise-runter-auf-Teufel-komm-raus“ weicht zunehmend intelligenteren, allerdings auch komplexeren Einkaufs- und Verkaufsprozessen. Die Zusammenhänge und Auswirkungen der wichtigsten Stellgrößen Kosten, Qualität und Zeit sind beständig in ein optimales Verhältnis im Hinblick auf die Marktziele eines Unternehmens zu bringen. So treffen sich im Idealfall Geschäftspartner, die sich gegenseitig bestens verstehen und bei der Erreichung ihrer Geschäftsziele voranbringen. Was bedeutet das für die Seite der Verkäufer? Galten vor noch nicht allzu langer Zeit gerade diejenigen in der Verkaufszunft etwas, die sogar „einem Eskimo am Nordpol einen Eisschrank verkaufen“ konnten, so ist der Verkäufer im heutigen, extrem transparenten Markt einer, der für seine Kunden die besten Lösungen – technologisch, wie organisatorisch/ betriebswirtschaftlich – erreicht. Er versteht das Geschäftsmodell seines Kunden, kann sich mit dessen Geschäftszielen identifizieren, analysiert die konkreten Lösungsansprüche und Notwendigkeiten und verbindet die Möglichkeiten des eigenen Unternehmens vorausdenkend mit den tatsächlichen Bedürfnissen des Kunden.
Was Kunden wirklich brauchen
Eine Lösung ist eine Lösung, wenn sie aus Sicht des Kunden eines seiner unternehmerischen Vorhaben voranbringt. Bei Unternehmen sind dies mindestens immer Gewinn und Wachstum. Hinzu kommen Individualziele wie Marktpositionierung, Green Business, soziales Engagement, Technologieführung und darüber hinaus beliebige Einzelziele. Bei staatlichen Organisationen können es Ziele wie Infrastrukturentwicklung, Versorgung, Entsorgung, soziale Dienstleistungen oder militärische Stärke sein. Selbst im staatlichen Teil der Geschäfte wird – und das ist gut so – mit steigender Akzeptanz nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen gehandelt. Kosten, Qualität und Zeit werden immer besser aufeinander abgestimmt.
Wenn diese drei Größen auch grundsätzlicher Natur sind und jeden Betrieb und fast alle Organisationen betreffen, so finden wir in der individuellen Ausprägung natürlich interessante Unterschiede. Produktionsbetriebe unterscheiden sich deutlich von Dienstleistungsunternehmen, Industrieunternehmen von Kreditinstituten, Forschungseinrichtungen von Logistikbetrieben, Händler von Beratern und generell Unternehmen von staatlichen Einrichtungen.
Individuelle Lösungen können also dazu beitragen, Unternehmensressourcen wie z.B. den Personaleinsatz intelligenter zu planen, die Maschinenauslastung durch automatische Serviceindikatoren zu erhöhen, Produktionsprozesse intelligenter zu steuern, Gefahrenpotenziale zu minimieren oder auch die Entwicklung von Neuprodukten (einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren vieler Branchen) zu beschleunigen. Dies senkt den dafür notwendigen Kapitalbedarf, schont also mindestens die Nerven von Controllern und Kreditoren und sorgt für mehr Wettbewerbsfähigkeit durch ein besseres Time to Market.
Kein Boxenschieben
Schon bei kurzer Betrachtung wird klar: Der Verkauf von Lösungen weist gravierende Unterschiede zum Verkauf von Produkten auf. Am ehesten können wir uns noch am Verkaufsvorgang hochwertiger Dienstleistungen im B2B-Geschäft orientieren wie beispielsweise Design, Beratung oder Training.
Sehen wir uns die Zielgruppe der Einkaufsentscheider an. Je weiter die betriebswirtschaftlichen Prinzipien das Kundenunternehmen durchdrungen haben, desto mehr wollen Einkaufsentscheider nicht nur durch das Produkt mit seinen Merkmalen an sich, sondern durch einen betriebswirtschaftlich klar erkennbaren Nutzen und kaufmännische Logik überzeugt werden. Der Nutzen muss sich im eigenen Kompetenzbereich, besser noch auf das gesamte Unternehmen bzw. das zu verhandelnde Einkaufsobjekt auswirken und in Kennzahlen konkret präsentiert werden. Eine überzeugende Verbindung von Technologie, Dienstleistung, Wissenszuwachs und darstellbaren, machbaren Kosten ist gefragt.
Diskussionen, Verhandlungen und Präsentationen auf Vorstandsebene sind nicht selten Bestandteil des Verkaufsprozesses, besonders im Mittelstand. Ein CFO Chief Financial Officer interessiert sich mehr für die Auswirkungen eines Geschäfts auf die Kostenstruktur, mögliche Verbesserungen im Cash Flow oder Abschreibungswerte als für das funktionale Layout von Technologieteilen. Für seine kaufmännischen Zahlen ist er verantwortlich, darin kennt er sich aus, hier möchte er angesprochen und überzeugt werden. In großen Teilen setzt sich dies auch bei Ansprechpartnern in Einkaufsfunktionen fort. Mindestens werden technologische Aspekte mit betriebswirtschaftlichen Überlegungen abgewogen und im Idealfall in Einklang gebracht. Dabei zählt nicht immer der niedrigste Preis, sondern eher die überzeugendste Gesamtargumentation. Der beste zu erwartende ROI/Return of Investment ist, sofern ausweisbar, entscheidend.
BWL-Wissen für Verkäufer
Welches Wissen benötigt also unser Verkäufer im Lösungsgeschäft? Hier eine kurze Zusammenstellung der wichtigsten Aspekte:
Darüber hinaus ist ein Interesse am Markt und den jeweiligen Trends angesagt. Die globalisierte Welt bringt jede Menge Chancen und natürlich auch einige Risiken, durch die Unternehmen sicher navigiert werden wollen. Betriebswirtschaft ist nichts Isoliertes. Ein Unternehmen bewegt sich im Markt, der ein Teil der Gesellschaft ist und diese wiederum ein Teil der globalen Welt. Das Verständnis von Zusammenhängen ist es, was das Geschäft zunehmend ausmacht und nicht losgelöste Einzelentscheidungen.
Profil entwickeln
Die Hochschulen haben bereits auf diese Veränderungen erfolgreich reagiert. Immer mehr Studenten schreiben sich für Fächer ein, die Technologiekompetenz und Betriebswirtschaft vereinen. Wirtschaftsingenieurwesen gehört aktuell zu den beliebtesten Studiengängen. Das ist gut so, auch wenn der zu erwartende Output der Hochschulen den hohen Bedarf an Fachleuten nicht ausreichend decken wird.
Auch die Unternehmen selbst sind hier gefragt, respektive die Verantwortlichen für die Personalentwicklung.
Vielen Verkäufern mit an sich gutem Produktwissen und Verkaufserfahrung fehlt schlicht die betriebswirtschaftliche Begriffssicherheit und die eine oder andere Verständnislücke von betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen sollte gefüllt werden. Zwischendurch mal eben den Master in Wirtschaft nachholen oder auf ein paar Semester in Sankt Gallen vorbeischauen, das kann sich doch realistisch gesehen nur eine kleine, elitäre Gruppe der bereits Aktiven leisten. Für das Gros ist das auch nicht notwendig.
Dieses fehlende Wissen kann sehr gut in kompakt gehaltenen Seminarformaten auf- und ausgebaut werden. Gelegentlich fehlen dann noch im methodischen Bereich Kenntnisse zur Moderation und zur entscheidergerechten Präsentation. Auch diese sind im innerbetrieblichen Weiterbildungsangebot darstellbar. Auch bei mittelständischen Betrieben und nicht nur bei großen Weltkonzernen.
Darüber hinaus – und das ist wesentlich – ist eine Veränderung im Rollenverständnis des Verkäufers angesagt. Der (bisherige) Produktverkäufer wurde und wird darauf „getrimmt“ eben seine Produkte in- und auswendig zu kennen, um sie dann bei Verkaufsgesprächen möglichst in den Vordergrund seines Angebots zu bringen. Der lösungsorientierte Verkäufer sieht sich zunächst das Geschäftsmodell des Kundenunternehmens an und macht sich in Verbindung mit den eigenen Leistungen auf die Suche nach Verbesserungspotenzialen; er analysiert im Vorfeld die aktuelle Situation (Geschäftsbericht, Internet, Presse) des Unternehmens und erarbeitet dann gemeinsam mit dem Kunden Lösungen für dessen Ziele und Vorhaben.
Der Lösungsverkäufer ist im Idealfall ein Kundenberater mit Verkaufsverantwortung. Einer mit genügend Detailkenntnissen zu Produkten und Dienstleistungen, ohne sich jedoch darin zu verlieren. Er ist also eher Generalist als ein Spezialist. In jedem Falle ist die Aufgabe des Lösungsverkaufs eine sehr reizvolle, spannende Angelegenheit.