Eine Dekade stabilen Aufschwungs geht zu Ende. Unsere Wirtschaft schlittert in eine Konjunkturdelle. Ungewöhnlich? Nein, eigentlich nicht. Auf- und Abschwung im Wechsel sind in der Wirtschaft ganz normal. Eine Besonderheit: Mitarbeiter und Führungskräfte, die in den letzten 10 Jahren ins Arbeitsleben getreten sind verfügen in den meisten Fällen über keinerlei praktische Krisenerfahrung. Welcher Führungsstil ist jetzt gefragt und warum bieten gerade Krisen einzigartige Chancen?
Alles aus und vorbei!
Aus jeder dunklen Ecke huschen sie jetzt, im Angesicht der bevorstehenden Wirtschaftssonnenfinsternis auf die Bühne, all die Bedenkenträger, Zukunftsängstlichen und Pessimisten. Seit fast 10 Jahren guter Konjunktur wartet dieser Satz darauf, endlich ausgesprochen werden zu dürfen: “Ich habe es ja gleich gesagt: Das wird nix!”
Vor einigen Tagen saß ich abends in München in der S4 und konnte nicht verhindern, der Unterhaltung zweier Fahrgäste, einem gutbürgerlichen Paar mittleren Alters, beizuwohnen. “Es geht ohnehin alles den Bach hinunter. Das steht fest.” resümierte der recht gepflegt erscheinende Herr mit Hut und seine Begleiterin, in wertigem Landhausstil eingekleidet, stimmte ihm gedankenvoll zu. In den sieben Haltestationen zwischen Marienplatz und Pasing passte nicht ein positiver Punkt in ihren Gedankenaustausch. Alles vorbei. War das eine aufkeimende Lust am Untergang oder einfach nur schlechte Angewohnheit?
Der Blick nach vorne
Was bei dem sich beklagenden Paar wohl noch akzeptiert werden muss, hat in einer Führungsaufgabe keinen Platz: Jammern. Wer führt, ob aus eigenen Stücken heraus oder weil er/sie angediehen bekam, der braucht stets den Blick nach vorne, die Suche nach Lösungen, nicht das Baden in Problemen. Hier gilt wirklich die alte Weisheit: Wer dauernd in Problemen denkt, der produziert welche.
Transparenz und Klarheit
Wäre das Gegenteil von Jammern also Schönreden? Nein! Keineswegs. Ignoranz wäre ein schlechter Ratgeber. Ein Annehmen der Lage, Klarheit und Transparenz sind die richtige Kombination. Ziele prüfen, Rahmen kennen, beides zusammenbringen, Schwierigkeiten auf dem Weg zum Ziel als Herausforderungen begreifen und mit Selbstvertrauen annehmen, Genau diese motivierende Inspiration erwarten Teams wie auch einzelne Mitarbeiter von ihren Vorgesetzten. Und natürlich auch das gegenseitige Vertrauen, das gute Teams, gute Unternehmen, auszeichnet. Grundtenor: Egal was kommt und zu bewältigen ist, wir haben die Fähigkeiten, die Kreativität und den Mut, das zu schaffen.
Führung von vorne
In solchen Situationen können wir von einer Organisation lernen, die sich Kraft Amtes stets auf Krisensituationen, Schwierigkeiten und manchmal unlösbar Erscheinendes professionell vorbereitet. Sie schöpft aus unglaublich reichhaltiger und stets weiterentwickelter Erfahrung: das Militär. Das Leitprinzip zur Bewältigung schwieriger Situationen heißt dort: Führung-von-vorne. Es ist ein taktisches Führungsprinzip, welches eng mit dem Prinzip des Gefechts der verbundenen Waffen einhergeht. Heute wird dieses Prinzip – zu Recht! – auch in der Wirtschaft diskutiert und eingesetzt.
Führung von vorne bedeutet beim Militär, dass der Befehlshaber einer Einheit seine Truppen direkt vom kritischsten bzw. wirkungsvollsten Punkt der Front befehligt und nicht in einem gesicherten Gefechtsstand hinter der Front. So kann der Befehlshaber
- die Geschehnisse im Kernbereich des Kampfgeschehens unmittelbar verfolgen,
- seine Befehle direkt und ohne Verzögerung effizient durchsetzen,
- Widerständen von Untergebenen begegnen und
- die Truppe durch seine Vorbildfunktion motivieren.
Lassen Sie uns diese Erklärung aus dem militärischen Führungshandbuch doch mal aus ziviler, wirtschaftlicher Perspektive sehen und für diese übersetzen.
5 Tipps für Champions
- Orientierung: Situation annehmen, klare Ziele vorgeben
- Präsenz: Führung von vorne
- Teamspirit: Schulterschluss und Augenhöhe im Team
- Freiraum schaffen: Prozesse entschlacken, Produktivität erhöhen
- Motivation: Teilerfolge zeigen und gemeinsam feiern
So geht´s!
Führen, das schließt schon von der Vorstellung des Begriffs her das Bild des “entschlossen Vorausgehenden” ein.
Ein guter Kontakt, gute, direkte Kommunikation mit allen Beteiligten ist sehr wichtig damit Strategien und auch Anpassungen schnell und unmittelbar im Geschehen ankommen und eine hohe Chance auf Umsetzung finden.
Bei Konflikten, bei Unsicherheiten ist Unterstützung, z.B. mittels Team- oder Einzelcoaching (durch den Vorgesetzten) angesagt. Viele Arbeitnehmer haben noch keinerlei praktische Erfahrung mit Krisen und evtl. keine Methoden zur Krisenbewältigung bisher erlernt. Gerade diese brauchen jetzt Orientierung und ein entschlossenes Vorwärts mit Sinn und Verstand.
Erfahrungen mit Drucksituationen zeigen immer wieder, dass sich Haltung, Verhalten und Erwartungen der Beteiligten deutlich zum “normalen” Alltag verändern. Oft entwickelt sich eine Art Tunnelblick und manch einer verliert schon mal die Übersicht.
Grundprinzip für Führungskräfte: Je turbulenter die Situation, desto unaufgeregter und klarer die Führung. Kein Jammern und Klagen, sondern “Ärmel-hoch” und gemeinsam anpacken.
Wichtig: Jetzt die Mitarbeiter nicht mit zusätzlichen Auswertungen und Excel-Orgien lahmlegen, sondern Freiräume für mehr produktive Handlung schaffen. Entschlacken Sie die Prozesse und konzentrieren Sie sich auf die Schaffung von Mehrwerten. Im Vertrieb beispielsweise bedeutet dies: Mehr Zeit für und mit Kunden, weniger Verwaltung. Hürden werden nicht überwunden, indem man Sie zum x-ten Mal in Höhe, Breite und Länge vermisst, sondern im Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten drüber springt.
Muskeln wachsen durch Widerstand und Anstrengung, Kreativität wird wach durch spannende Fragen, der Verstand durch Aufgaben, für die man sich Neues überlegen muss, um sie zu lösen.
In Zeiten wie diesen werden Champions gemacht. Sind Sie dabei?
von Karl Heinz Lorenz, Trainer bei Lorenz-Seminare