Interkulturelle Kompetenz - Eine Antwort | Lorenz-Seminare

Das Scheitern internationaler Projekte verursacht Unternehmen jährlich enorme Kosten, in manchen Fällen sogar in Milliardenhöhe. Die Frage nach dem Warum drängt sich auf. Sind die Verursacher tatsächlich, wie meist angeführt, bürokratische Hürden und Fehlplanungen, oder kann die Antwort auch in der fehlenden Anerkennung von kulturellen Unterschieden und somit mangelnder interkultureller Kompetenz gefunden werden.

Herausforderung Auslandsinvestition

Für deutsche Unternehmen bergen in den letzten Jahren vor allem ausländische Märkte das größte Wachstumspotenzial. Im Jahr 2016 gaben 47% der deutschen Industriebetriebe an im Ausland zu investieren (vgl. DIHK o.J; o.S.). Allgemein können grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeiten als Motor des unaufhaltsam voranschreitenden Globalisierungsprozesses gesehen werden, dessen Folge die zunehmende Internationalisierung von Kultur- und Wirtschaftsräumen ist. Dies bedingt, dass globales Denken und Handeln zunehmend zu Schlagworten in der Wirtschaft und Politik werden (vgl. Thomas 2003: 15).

Der Erfolg von grenzüberschreitenden Projekten hängt in besonderem Maß vom richtigen Personalmanagement ab. Es muss auf die dynamischen Entwicklungen in den Arbeitsbereichen und die sich dadurch verändernden Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reagiert werden (vgl. Ringwald 2011: 403). Konzerne, die langfristig erfolgreich sein wollen, brauchen neben den richtigen Produkten fähiges Personal. Bereits bei der Einstellung neuer Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter sollte neben der fachlichen, sozialen, individuellen und strategischen Kompetenz auch unbedingt die interkulturelle Handlungskompetenz der Bewerbin / des Bewerbers erörtert werden (vgl. Kinast/Thomas 2003: 245). Dabei können Verhaltensmerkmale wie beispielsweise: Offenheit, Empathie, Ambiguitätstoleranz und Kultursensibilität, die im Zusammenhang mit interkultureller Handlungskompetenz eine große Rolle spielen, studiert und bewertet werden (vgl. Kinast 2003: 168 f.). Es kursieren Zahlen, die das Scheitern von internationalen Projekten mit 40 bis 70 Prozent beziffern. Bezüglich der Abbrecherquote von ins Ausland entsendeten Fach- und Führungskräften, wird von 10 bis 40 Prozent gesprochen, im Falle von Entwicklungsländern noch weit mehr. Genaue Angaben dazu gestalten sich äußerst schwierig, da sich Unternehmen im Zusammenhang mit diesen Misserfolgen eher bedeckt halten (vgl. Kinast/Thomas 2003: 243). Wie eingangs erwähnt sind es oftmals bürokratische Hürden, nationale Gesetzgebung und Fehlplanungen die als Gründe für Fehlschläge bei internationalen Projekten genannt werden. Es drängt sich allerdings der Verdacht auf, dass einem Faktor noch nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wurde: nämlich Kultur und der mangelnden interkulturellen Kompetenz international agierender Player.

Interkulturelle Kompetenz – Kriterium für globalen Erfolg

Moderne Manager können als Netzwerkarchitekten in einer zunehmend globalisierten Geschäftswelt verstanden werden. Neben fachlicher und sozialer Kompetenz ist darum zunehmend interkulturelle Kompetenz gefragt. Dieser Begriff, der oftmals als eindimensionale Fertigkeit verstanden wird, ist wesentlich komplexer und tiefgreifender als er auf den ersten Blick erscheint. Was zeichnet eine interkulturell kompetent agierende Person aus? Sprachfertigkeit, kulturspezifisches Wissen, dies sind Dinge die in diesem Zusammenhang meist genannt werden, ebenso wie das Wissen um die vielzitierten Do´s und Dont´s. Natürlich sind diese Grundlagen essentiell, aber interkulturelle Kompetenz ist tatsächlich wesentlich komplexer und tiefgreifender. Der reflexive Umgang mit der eigenen kulturellen Prägung und der tief verankerten ethnozentrischen Haltung gegenüber anderen Kulturen ist für erfolgreiches interkulturelles Handeln unerlässlich. Dies wird aber meist im Zusammenhang mit interkultureller Kompetenz nicht genannt. In einem interkulturellen Training wird den Teilnehmerinnen / Teilnehmern ermöglicht interkulturelle Kompetenz in ihrer Gesamtheit zu erkennen und die eigene kulturelle Prägung zu bearbeiten. Im Fall von kulturspezifischen Trainings werden natürlich auch die Besonderheiten der Zielkultur bearbeitet.

Am Beispiel von Auslandsentsendungen lässt sich gut erkennen, dass viele Unternehmen häufig einem Trugschluss erliegen. Es wird oftmals davon ausgegangen, dass ein im Heimatland erfolgreicher Mitarbeiter automatisch auch im Ausland an diese Erfolge anknüpfen kann. Es ist vor allem die fachliche Kompetenz, die als Grundlage für ein Entsendungsprojekt spricht. Die Kosten dafür können mit etwa dem dreifachen Jahresgehalt des Expats beziffert werden (vgl. Fischlmayr/Kopecek 2012: 28). Die richtige Vorbereitung und Begleitung dieser Mitarbeiterin / dieses Mitarbeiters und seiner eventuell mitreisenden Angehörigen ist von enormer Wichtigkeit, denn eine Entsendung stellt immer eine emotionale Stresssituation dar, die mit richtiger Vorbereitung und Bgeleitung wesentlich abgemildert werden kann, wie in der folgenden Grafik (Kulturschockmodell nach Oberg) dargestellt.

Kulturschock Korea

Besonders bei kulturell ähnlich gedachten Ländern wie beispielsweise den USA wird auf Vorbereitungs- und Begleitungsmaßnahmen oftmals verzichtet. Dies kann den Erfolg des ganzen Projekts gefährden. Bereits banal anmutende Aussagen wie: “Den Amis fehlt der Hausverstand”, bergen mehr als reichlich Zündstoff. Solchen Aussagen liegt ein hohes Maß an dem bereits erwähnten Ethnozentrismus zu Grunde. Dieses Überhöhen der eigenen Kultur erfolgt natürlich unbewusst und nicht böswillig. Nachweislich schädigt aber genau eine solche Haltung jede interkulturelle (Arbeits-) Beziehung. Durch gezielte interkulturelle Trainings werden werden genau diese unsichtbaren Fallen anschaulich gemacht und konstruktiv Wege zum bewussten Umgang damit erarbeitet.

Die Lebens- und Arbeitswelt verändert sich rasant und interkulturelle Teams und deren Führung sind natürlich längst nicht mehr nur im Fall von Auslandsentsendungen relevant. Vielmehr ist auch das tägliche Arbeitsumfeld in Deutschland zunehmend globalisiert. Kulturell diverse Teams prägen das Bild und mit ihnen sehen sich Unternehmen mit großen Chancen aber auch Herausforderungen konfrontiert. Interkulturelle Kompetenz kann und darf hier als Faktor in Personalentscheidungen und auch in der Aus- und Weiterbildung von Fach- und Führungskräften nicht vernachlässigt werden.

Das interkulturelle Training: Baustein zum internationalen Erfolg

Interkulturelle Trainings stellen eine bewährte Methode dar, interkulturelle Handlungskompetenz zu erweitern und zu verbessern. Diese Programme müssen auf die spezifischen Bedürfnisse der Teilnehmerinnen / Teilnehmer und des jeweiligen Unternehmens zugeschnitten sein (vgl. Kinast/Thomas 2003: 250-253).

Vorab wird mit beiden Seiten die Zielsetzung für das Training geklärt und festgelegt. In vielen Unternehmen gibt es zwar bereits das Bewusstsein, dass interkulturelle Handlungskompetenz von großer Wichtigkeit ist, trotzdem werden aus verschiedenen Gründen noch immer relativ selten interkulturelle Seminare ins Portfolio der firmeninternen Weiterbildungsmaßnahmen aufgenommen. Als Argument wird hier oftmals fehlende Zeit, zu hohe Kosten, keine Notwendigkeit, die kulturellen Unterschiede sind nicht gravierend (wie beispielsweise im Fall Deutschland / USA) genannt. In vielen Fällen feht aber auch, wie bereits erwähnt, das Personalmanagement einfach von instinktiv richtigen und angemessenen Entscheidungen der Mitarbeiterin / des Mitarbeiters aus (vgl. Fischlmayr/Kopecek 2012: 172). Wie in diesem Artikel dargelegt, ist dies aber nicht unbedingt der Fall und interkulturelle Aus- und Weiterbildung von Fach- und Führungskräften unbedingt notwendig. Interkulturelle Trainings erzielen durch den richtigen Methodenmix einen hohen kognitiven Lerneffekt, der sich praktisch im Arbeitsalltag anwenden lässt. Verschiedenste Bausteine kommen dabei zur Anwendung wie beispielsweise: Culture-Specific-Assimilator, kulturspezifische Trainingseinheiten mit (alltags-)geschichtlichem Inhalt und dem Wertewandel eines Kulturraums, Fallstudienbearbeitung, Self-Assessment-Fragebögen, aber auch Simulationen und Rollenspiele. Dabei muss natürlich immer der Bezug zum Arbeitsumfeld der Teilnehmerinnen / Teilnehmer hergestellt und gewahrt werden. Wichtige Themen sind auch Führungsstil und erfolgreiche Teambildung. Auch hier werden tiefer gehende kulturspezifische Kenntnisse benötigt. Das Wissen, sowohl um die eigenen als auch die fremden kulturellen Hintergründe, führt dabei zu mehr Verständnis, Empathie, Toleranz und somit zu erfolgreicher Führung und Teambildung. Das interkulturelle Training hilft auch dabei Vorurteile und Stereotypen abzubauen und somit Ambiguitätstoleranz und kultursensibles Verhalten zu entwickeln.

Die Vorkenntnisse und Erfahrungen der Teilnehmerinnen / Teilnehmer werden immer vorab geklärt und ein maßgeschneidertes Programm entwickelt.

Schlusskapitel

Viele Unternehmen haben versucht Auslandsniederlassungen, Mitarbeitern, Kunden und auch Kooperationspartnern die eigene Kultur überzustülpen. Dies haben sie in den meisten Fällen bitter bezahlt. Als Beispiel kann man hier eine namhafte US-amerikanische Handelskette anführen, die in Deutschland mehr als kläglich gescheitert ist. Alleine der Rückzug aus dem deutschen Markt kostete mehr als eine halbe Milliarde Euro. Als Hauptgrund für das Scheitern gilt hier, wie in vielen anderen Fällen auch, die Ignoranz gegenüber den kulturellen Besonderheiten der Kundschaft und der Angestellten.

Es ist ein Trugschluss, dass international agierende Managerinnen / Manager allein durch ihre Erfahrung interkulturell kompetent handeln und angemessene Entscheidungen treffen. Vielmehr ist es von enormer Wichtigkeit diese Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter durch interkulturelle Trainings gezielt zu unterstützen und zu fördern. Nur so können sie in ihrem internationalen Arbeitsumfeld erfolgreich agieren.

Globale Unternehmen erfordern die Überwindung von (kulturellen) Grenzen. Ein interkulturelles Training stellt dabei ein hilfreiches Werkzeug dar. Jedes Unternehmen sollte sich den noch relativ unbeachteten Wettbewerbsvorteil von einem interkulturell kompetenten Mitarbeiterstamm verschaffen. Die richtige Maßnahme dazu stellen interkulturelle Trainings dar.

von Amelie Kreiter, Trainerin bei Lorenz-Seminare

 

 

Quellenverzeichnis:

Auslandsinvestitionen online unter: http://www.dihk.de/branchen/industrie/auslandsinvestitionen/auslandsinvestitionen

Fischlmayr, Iris / Kopecek, Andrea (2012): Die professionelle Auslandsentsendung. Rechtliche, personalwirtschaftliche, steuerliche Aspekte des Expat-Managements. Wien: Linde.

Kinast, Eva-Ulrike (2003): Diagnose-Training-Evaluation-Coaching. In: Kinast, Ulrike / Schroll-Machl, Sophie / Thomas, Alexander (Hg.) (2003): Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Band I: Grundlagen und Praxisfelder. Göttingen: Vanderhoeck & Ruprecht, S.167-226.

Kinast, Eva-Ulrike / Thomas, Alexander (2003): Interkulturelle Personalentwicklung in internationalen Unternehmen. In: Kinast, Ulrike / Schroll-Machl, Sophie / Thomas, Alexander (Hg.) (2003): Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Band I: Grundlagen und Praxisfelder, Göttingen: Vanderhoeck / Ruprecht, S. 243-256.

Nowak, o.A. (2014): Kulturschock: Die wirtschaftlichen Folgen für Unternehmen. Online unter: http://www.expat-news.com (26.04.2015)

Ringwald, Nadine (2011): Interkulturelle Perspektive der Mitarbeiterführung, Identifikation von Einflussfaktoren und Klassifikation von Expatriates. In: Stock-Homburg Ruth / Wolff, Brigitta (Hg.) (2011): Handbuch Strategisches Personal-Management. Wiesbaden: Gabler, S.401-419

Thomas, Alexander (2003): Kultur und Kulturstandards. In: Kinast, Ulrike / Schroll-Machl, Sophie / Thomas, Alexander (Hg.) (2003): Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Band I: Grundlagen und Praxisfelder. Göttingen: Vanderhoeck & Ruprecht, S.19-31.