Team ist nicht gleich Team | Lorenz-Seminare

Ein Team zu bilden, zu entwickeln und erfolgreich zu leiten gehört zur Kernkompetenz in Führungsaufgaben. Doch ist Team-gleich-Team? Rahmenbedingungen, Ziele und Zusammensetzungen können sehr unterschiedlich sein. Individualität ist heute einer der Megatrends überhaupt. Individuelle Maßnahmen sind angesagt, um Teams zu einer hohen Performance zu führen.

Kurzreview: Dynamik in Gruppen

Bereits in früheren Beiträgen haben wir uns mit der Bedeutung der Gruppendynamik in der Teamentwicklung auseinandergesetzt. Fast immer können wir vier Phasen, vier Entwicklungsstufen (vgl. “Teamuhr” von Bruce Tuckman) nacheinander beobachten. In der ersten Stufe (“Forming”) verhalten sich die meisten Teams eher zurückhaltend und suchen Orientierung. Führung besteht in dieser ersten Phase vor allem in einer guten Information aller Beteiligten. Es werden die Rahmenbedingungen vorgestellt, Ziele, Beteiligte, Werkzeuge – einfach alles, was allen eine rasche, grobe Übersicht ermöglicht. Fragen & Antworten bestimmen hier den Dialog. Klarheit und Einfachheit sind Trumpf. Ist diese Übersicht hergestellt, dann steht die zweite Phase (“Storming”) an. Das Team setzt sich mit den Gegebenheiten auseinander, diskutiert, kämpft um Konzepte, Vorgehensweisen und Positionen. In der Führung ist Moderation angesagt. Teams, die zu ruhig “kämpfen”, brauchen stärkere Impulse, dies zu tun. Teams mit zu hohem Energiepegel, etwas mehr Maß und manchmal auch Schutz Einzelner. Zu ruhige Teamspieler werden ermutigt, zu laute schon auch mal zurückgenommen. Wichtig ist, dass Konzepte, Meinungen und Ideen auf den Tisch kommen, Kontroversen ermöglicht werden. Sind diese Dinge durchdiskutiert, dann steht die Einigung (“Norming”) im Team an. Ziele, Spielregeln und Positionen müssen zusammengeführt werden. Je besser dies gelingt, desto höher der Erfolg der vierten Phase (“Performing”).

Leistung entfesseln

Diese vierte Stufe der Teamentwicklung ist “das eigentliche Ziel” des Prozesses. Hier arneitet und wirkt das Team zusammen und konzentriert sich ganz auf die Erreichung der gemeinsamen Ziele. Je mehr das Team hier in einen FLOW-Zustand kommt – und möglichst lange bleibt – desto höher die Teamleistung. Eine sehr schöne Definition von FLOW aus dem Web (Wikipedia, 2018) möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: “Flow (englisch “Fließen, Rinnen, Strömen”) bezeichnet das als beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung (Konzentration) und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit (“Absorption”), die wie von selbst vor sich geht – auf Deutsch in etwa Schaffens- bzw. Tätigkeitsrausch oder auch Funktionslust.”

Dieser Zustand FLOW benötigt ebenso Einrichtung, da gehört unser gruppendynamischer Prozess dazu, wie eine laufende Pflege und Begleitung durch die Führung im Team.

Die Unterschiedlichkeit nutzen

Teams unterscheiden sich in der Performancephase sehr stark durch ihre Ziele und die dazugehörige Zusammensetzung des Teams.

Grob betrachtet können wir drei häufige Teamformen und eine spezielle Sonderform ausmachen. Jede wird im Idealfall etwas anders geführt, gefordert und gefördert. Homogene Teams haben wir dann, wenn mehr oder weniger alle im Team Tätigkeiten wahrnehmen, Arbeitsplätze nutzen, Positionen einnehmen, die alle sehr vergleichbar oder sogar mehr oder weniger identisch sind.

Bei komplementären Teams nehmen die Teammitglieder unterschiedliche Aufgaben wahr und Positionen ein. Sie ergänzen sich im Idealfall mit ihren Stärken und decken damit das komplett benötigte Leistungsprofil ab. Gut vergleichbar ist das mit einer Fußballmannschaft. Die unterschiedlichen Aufgaben im Team, vom Torwart angefangen, über Verteidiger, Mittelfeldspieler bis hin zum Mittelstürmer werden von unterschiedlichen Fähigkeiten wahrgenommen und ergeben in Summe all dessen ein komplementäres Team. Dazu gehört natürlich auch der Trainer am Spielfeldrand, auch wenn er die regelnde, die moderierende Funktion hat und nicht selbst auf dem Spielfeld direkt aktiv werden muss.

Sobald der Schwerpunkt der Ziele im erschaffenden / gestaltenden Bereich liegt, sprechen wir von Kreativteams. Diese benötigen unbedingt Freiräume für neue Ideen, alternative Herangehensweisen, Kontroversen, Zeit für Diskussionen, die Akzeptanz für Sowohl-als-auch-Lösungen und nicht nur für ein Entweder-oder. Die geeignete Führung von Kreativteams erfolgt dann eher in Form einer Moderation, als in strikten Anweisungen.

Teams

Tatortatmosphäre

Aus spannenden Kriminalfilmen kennen wir die folgende Situation: Eine Person verschwindet, vielleicht sogar ein Kind. Ist es davongelaufen oder wurde es entführt? Die Polizei wird eingeschaltet, höchste Eile ist geboten. Sofort schließen sich Experten aus unterschiedlichen Bereichen zusammen, bilden eine Sonderkommission und machen sich ohne auch nur einen Augenblick zu zögern an die Arbeit.

Alle sind sich bewusst,dass die Chancen auf Erfolg, auf Rettung umso größer sind, je schneller sich alle verständigen und gemeinsam ans Werk gehen. Jede Stunde, jeder Tag zählt.

Eile und Erfolgsdruck bilden die Rahmenbedingungen für eine Sonderkommission und sind gleichzeitig ihre Stimulatoren. Das Ziel selbst ist pure Motivation und bindet alle Beteiligten fast automatisch zusammen. Keine Diskussionen über Randbedingungen sind hier hilfreich, dessen ist sich jeder bewusst. Es zählt ausschließlich die volle Konzentration auf das Vorwärtskommen und das Erreichen des Ziels. Jeder Beteiligte hängt sich voll und ganz rein, vertraut auf seine Stärken, nutzt diese auch über die üblichen Belastungsgrenzen hinaus. Auch der Chef der Sonderkommission hat eine wichtige Sonderaufgabe. Er hält dem Team den Rücken frei und besorgt im Zweifelsfall auch ohne die Hilfe einer Assistenz Getränke, kocht Kaffee und ist einfach immer präsent, greifbar und unterstützt alle. Er zeigt sich exemplarisch: Hier ist alles möglich, jeder ist für jeden da, Alltagsspielregeln sind jetzt nicht von Bedeutung.

Diese Form der Gruppenorganisation, der Teamarbeit ist auch im wirtschaftlichen Geschehen sehr gut nutzbar. Sie ist – das sollte klar sein – auf einen kurzen Zeitraum beschränkt und ausschließlich besonderen Aufgabenstellungen vorbehalten und in Ausnahmesituationen angesagt. Dies bedeutet, die Zielsetzung sollte gleichzeitig dringlich wie wichtig sein. Bei dieser Arbeitsform dürfen die üblichen, im sonstigen Alltag wichtigen Spielregeln schon mal außer Acht gelassen werden, um die Tür auch für ungewöhnliche Ideen und Wege weit zu öffnen.

Langfristig gesehen ist die Sonderkommission ein sehr wichtiges Führungswerkzeug für die Entwicklung von besonders leistungsbewussten Teams. Wenigstens einmal im Jahr sollte ein Teamleiter sein Team mit dieser Arbeitsform “konfrontieren”. Einmal, um die tatsächliche Abrufbarkeit von Höchstleistung zu überprüfen (und nicht nur anzunehmen), und andererseits, um die Leistungsfähigkeit des Teams langfristig zu steigern und abrufbar zu machen. Die Sonderkommission bietet ein direktes Leistungsfeedback für alle. Sie macht sehr praktisch und spürbar klar, wo die Stärken und Schwächen eines Teams liegen und wie das Profil einer Arbeitsgruppe sich verändert. Darüber hinaus, sofern es sich nicht tatsächlich, wie im Krimi, um eine Entführung handelt, sorgt sie für Spannung, Arbeitsfreude, interessante Erkenntnisse, mehr und mehr Teamgeist und eine wachsende Bindung untereinander.

von Karl Heinz Lorenz